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An einem seidenen Faden

Maria Merz 15.09.2024

Die Samen von Geranium robertianum hängen im wahrsten Sinne des Wortes an einem seidenen Faden. Anders als bei den von mir ebenfalls beobachteten Arten Geranium pratense, G. sanguineum, G. dissectum und G. nodosum, die ihre Samen mit einem speziellen Mechanismus weit weg schleudern, bleiben die Samen von G. robertianum nach dem Schleudern an einem haarfeinen, seidigen Faden, der am einen Ende des Samenkorns befestigt ist, hängen. Dieser Faden ist ziemlich klebrig, er haftet an den Fingern und an Pflanzenteilen. Deutet dies eventuell auf Zoochorie hin? Oder gibt es eine andere Erklärung für dieses Phänomen?

PS Ich habe mich vergewissert, dass es sich nicht etwa um Spinnenfäden handelt…

  • Geranium robertianum
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15.09.2024 (Maria Merz)
  • Geranium robertianum
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2 Antworten

Was für eine wunderschöne Beobachtung, herzlichen Dank fürs Teilen des Fotos @Maria!

Ich habe diese Seidenfäden bei keiner Storchschnabel-Art je gesehen und deshalb die Literatur zu Rate gezogen. Einmal mehr wusste die "Illustrierte Flora von Mitteleuropa" (Hegi, 1924, IV. Band, Teil 3) Bescheid und beschreibt die Früchte von Geranium robertianum (zwar etwas umständlich) so:

Seite 1713
"Frucht ± 2 cm lang, mit die glatten, fein punktierten Samen dauernd umschliessenden, ± 3 mm langen, vortretend netznervigen, oberwärts querrunzeligen, kahlen oder behaarten Fruchtklappen, die ohne die sich ablösende Granne von der Mittelsäule fortgeschleudert werden und 2 weisse, epizoischer Verbreitung dienende Haare tragen."

... und auf Seite 1715:
"Bei der Fruchtreife öffnet sich der Kelch und es lösen sich die Grannen sowohl von der Mittelsäue wie von den Teilfrüchten ab. Diese öffnen sich nicht, sondern werden mitsamt den Samen und zwei schlaffen Haarsträngen fortgeschleudert. Diese Anhängsel ermöglichen den Früchtchen offenbar ein Anhängen an Tiere, vielleicht auch Windverbreitung, die jedoch bei dem Vorkommen an geschützten Standorten meist ausser Betracht fällt. Nach Stäger und Ulbrich kommt auch Myrmekochorie vor."

Die Flora Iberica liefert sowhl eine Beschreibung als auch perfekte wissenschaftliche Illustrationen (Band 9, 123-1, Seite 280) von Geranium robertianum und Geranium purpureum, welche die Haarbüschel (oder "Haarstränge") zeigen. 

Die Flora Iberica beschreibt die Früchte (Merikarpe resp. Fruchtklappen) von Geranium robertianum so:

"mericarpos 1,9-3,1 × 1-1,8 mm, de base no estrechada en pico y sin callo ni prolongación, con unas fibras derivadas del rostro y unidas al ápice de cada mericarpo".

Übersetzt auf DE ungefähr so:
„Merikarpe 1,9–3,1 × 1–1,8 mm, an der Basis nicht zu einem Schnabel verengt und ohne Kallus oder Verlängerung, mit einigen Fasern, die vom Schnabel ausgehen und an der Spitze jedes Merikarpiums verbunden sind."


Links auf pdf-Dokumente von:

Liebe Muriel, vielen Dank für die ausführliche Antwort und die Links zu spannenden Informationen. Es ist ja schon erstaunlich und überraschend, was die Natur sich immer wieder einfallen lässt…