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Botrychium lunaria aggr. auf dem Stockhorn (BE)

Muriel Bendel
Muriel Bendel 23.06.2022

Liebe Farnpflanzen-Freaks,

Wir haben heute auf dem Stockhorn (auf ca. 2000 m ü. M.) eine 1,5 cm grosse Botrychium lunaria aggr. Pflanze entdeckt; sie wuchs zwischen Carex sempervirens, Plantago atrata, Polygonum viviparum, Selaginella selaginoides, Soldanella alpina et al.

Lässt sich der Winzling einem genaueren Taxon zuordnen als B. lunaria aggr.? 

Lieber Gruss, muriel

Der Botrychium-Winzling vorne rechts, zwischen Carex sempervirens, Plantago atrata et al. (Muriel Bendel)

8 Antworten

Alles passt zu B. tunux: klein, wenige Fiedern, gelblich, etwas fleischig, unterste Fiedern sehr ungleich (viel länger nach unten als nach oben) und seitlich leicht eingeschnitten, Sporophor trennt sich unterhalb der Fiedern vom Trophophor (wodurch dieser gestielt ist), und Sporophor ist gegen den Trophophor gedreht.

Toller Fund! In CH seltene, kaum bekannt Art, aber wohl auch oft übersehen und einfach für eine kümmerliche B. lunaria gehalten. Kommt oft neben anderen Botrychium-Arten vor.

Welchen Schlüssel empfehlt ihr zur weiteren Aufdröselung des Aggregats? 

Gibt es noch nicht, wir arbeiten dran. Soll Ende des Jahres in Heft 3 im FernFolio erscheinen. Aber ich gebe hier gerne Tipps. Es sind v.a. 4 Arten:

B. lunaria s.str.: die häufige, grosse Art auf eher sauren Böden, oft in hohen Wiesen. Gross, grellgrün, viele Fiedern, unterste Fiedern oft gebogen und den Stiel berührend.

B. onondagense: nicht selten auf eher mageren Böden, Basisch bis sauer. Ähnlich wie lunaria s.str., aber schlanker, Fiedern rundlicher, oft nicht überlappend, Sporophor lang, die untersten beiden Äste oft weit getrennt vom Rest. Wächst z.B. im kleinen Park zwischen Park- und Kantonsstrasse  in Saas-Fee. 

B. tunux (s. oben): selten, eher auf basischen Böden, oft in grosser Höhe in niedriger, offener Vegetetation. Klein, wenige Fiedern, gelblich, etwas fleischig, unterste Fiedern sehr ungleich (viel länger nach unten als nach oben) und seitlich leicht eingeschnitten, Sporophor trennt sich unterhalb der Fiedern vom Trophophor (wodurch dieser gestielt ist), und Sporophor ist gegen den Trophophor gedreht.

B. sp. nov. aff tunux: nicht selten in offener Vegetetaion (Magerrasen, oft neben Hieracium pilosella) und Alluvionen auf eher basischen Böden, bis 500 m runter aber auch bis über 2500 m. Wie tunux, aber etwas grösser, unterste Fiedern weniger ungleich und nicht eingeschnitten, Sporophor trennt sich auf Höhe der untersten Fiedern vom Trophophor, vom Trophophor weggedreht.

Dazu gibt es noch 3 genetisch identifizierte Sippen, die wir noch nicht gut verstehen, die aber alle sehr selten sind und die man vorerst ignorieren kann.

Wichtig: Viele Pflanzen lassen sich morphologisch nicht eindeutig bestimmen. Das muss man einfach akzeptieren. Lieber erstmal Pflanzen suchen, auf die alle Merkmale passen und sich von dort vorsichtig vorarbeiten. Und es gibt immer wieder Hybriden und monströse Formen, die oft auffällig gross sind, verzweigte Trophophore haben, usw. Am besten ignorieren.

Tipp: in der Umgebung der Station Riffelberg oberhalb Zermatt kommen alle 4 Arten vor.  

Wunderbarst, vielen Dank @Michael für die Bestimmung von Botrychium tunux und für die Tipps zu den “neuen” Taxa, wow! 

Ich werde Ausschau halten nach spannenden Botrychium Taxa und bin sehr gespannt, was noch alles zum Vorschein kommt. 

Botrychium tunux vom Stockhorn hab ich eben bei Info Flora gemeldet.

Lieber Gruss, muriel

Vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen. Ich sehe auch immer wieder sehr unterschiedlich ausgeprägte Botrychium lunaria im Feld. Spannend, dass sie sich doch weiter unterteilen lassen.

Wenn sie so gut fotografiert sind wie die von Muriel (so dass man z.B. auch sehen kann, wo der Sporophor am Trophophor ansitzt), dann kann man die gut bestimmen (oder eben sagen, das geht nicht).