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Saxifraga xkochii ?

Röbi Feller 06.07.2025

Wir waren letzte Woche im Berner Oberland, ua auf  2600m (Birg, oberhalb Mürren). Kann jemand meine Bilder als S. xkochii bestätigen, oder widerlegen? 

01.07.2025 (Röbi Feller)
01.07.2025 (Röbi Feller)

9 Risposte

Saxifraga ×kochii passt aus meiner Sicht gut! Mehrblütig; Kronblätter oval, breit, 5nervig, mit der grössten Breite über der Mitte.

Nach meiner Erfahrung findet man häufig auch weniger eindeutige Exemplare. Da diese Art eine Hybride aus Saxifraga biflora und Saxifraga oppositifolia ist, gibt es viele Zwischenformen.

Danke!
Irritiert hat mich, dass die FlorApp diese Kreuzung ganz weglässt. Kew.org führt sie als akzeptierten Hybrid, der 1835 zum ersten Mal beschrieben wurde

Wenn du dieses Taxon in FlorApp nicht zur Auswahl hast, dann liegt das höchstwahrscheinlich am ausgewählten Referenzwerk. Ich gehe davon aus, dass in FlorApp bei dir auf dem Handy “Flora Helvetica 2012 - SISF-2” verwendet wird. Bei diesem Referenzwerk steht Saxifraga ×kochii tatsächlich nicht zur Auswahl, da dieses Taxon dort als Saxifraga biflora subsp. macropetala bekannt ist. Das sieht man auch, wenn man bei Info Flora unter Art abfragen die Referenzwerke (Checklist 2017 und/oder SISF/ISFS 2) entsprechend aktiviert/deaktiviert und nach den Taxa sucht.

Ich empfehle dir, das neuste Referenzwerk zu benutzen. Zurzeit ist das “Checklist 2017 & addenda”, dann stimmt die Systematik auch mit der aktuellen Flora Helvetica überein (App und Bücher).

Die Änderung des Referenzwerkes geht ganz leicht bei der Erstellung einer neuen Beobachtung über die 3 Punkte. Das eingestellte Referenzwerk wird fortan bis zur nächsten Änderung für neue Beobachtungen verwendet. Anbei 2 Screenshots, um das Vorgehen zu illustrieren (FlorApp 3.5.1, Android).

Du kannst auch bereits erstellte (noch nicht hochgeladene) Beobachtungen entsprechend anpassen. Dazu einfach die Beobachtung öffnen und beim Ändern der Art zuerst das entsprechende Referenzwerk auswählen. Und selbstverständlich funktioniert das auch im Online-Feldbuch auf ganz ähnliche Weise (ACHTUNG: wie alle Änderungen im Online-Feldbuch wird auch diese Änderung nicht zurück ins FlorApp synchronisiert).

(Simon Gysi)

Danke Simon, ich habe die eingestellten Referenzwerke überprüft - bei den Moosen ist bei mir die Checkliste 2023 eingestellt - sonst wie auf deinem Screenshot. Auch nach dieser Prüfung erscheinen bei der Identifizierung der Zweiblättrige und der Gegenblättrige Steinbrech an erster Stelle. Weiter unten (0.17%) kommt dann noch der Gestutzte Steinbrech. x kochii fehlt ganz.

Hallo Röbi

Ach es geht um FlorID! Da wurden halt Hybriden oft nicht in die Bildbestimmung miteinbezogen…  

Genau! Jetzt verstehe ich auch, was mit “FlorApp lässt diese Kreuzung weg” gemeint ist. Und es hat nichts mit dem Referenzwerk zu tun. In der Tat werden bei der Bilderkennung, welche in FlorApp integriert ist (sie heisst FlorID wie Jonas treffend bemerkt hat), die meisten Aggregate nur bis auf diese Stufe ermittelt (wohl um den Trainingsaufwand für das Modell in Grenzen zu halten). D. h. Arten innerhalb eines Aggregates (wie auch Unterarten einer Art) werden für die meisten Taxa nicht unterschieden.

Ein kurzer Test auf florid.ch mit den hier veröffentlichten Fotos ergab ganz brauchbare Resultate. Und zwar ist Saxifraga biflora aggr. mit 30 % angeben, Saxifraga oppositifolia nur noch mit 3 % und andere wie Saxifraga retusa mit < 1 %! Mit der Bilderkennung in FlorApp kommt ± das gleiche heraus, denn es wird im Hintergrund derselbe Dienst verwendet.

Die Deutschen Namen sind hier leider etwas verwirrlich, denn sowohl Saxifraga biflora (also die Art) als auch Saxifraga biflora aggr. (also das Aggregat, welches S. biflora und S. ×kochii enthält) heissen auf Deutsch Zweiblütiger Steinbrech.

Vereinfacht kann man sagen, dass FlorApp bzw. FlorID dein Exemplar mit Saxifraga biflora aggr. richtig, jedoch etwas ungenau erkannt hat.

Danke, danke für euren Aufwand!
Es bleibt für mich noch eine Frage: Wenn kew.org diese Kreuzung als Hybrid ("Saxifraga × kochii Hornung

First published in Flora 18: 465 (1835) This hybrid is accepted") führt: Heisst das dann, dass die Hybride fertil sind, dass sie also auch auftreten können, wenn die beiden Elternarten gar nicht (mehr) vorhanden sind?
Am “Birg” ob Mürren kommen alle drei Arten vor.

@Röbi, die Sache scheint kompliziert und die beiden vermeintlichen Arten halten sich offensichtlich an wenig bis gar nichts. 

Konkret gibt es bei Gugerli (2000) in der Publikation "Fortpflanzung bei Saxifraga oppositifolia und S. biflora unter alpinen Bedingungen – Fremdbestäubung als genetische Versicherung?" (pdf auf zobodat.at) zu S. biflora, S. oppositifolia und ×kochii folgendes zu lesen: 

"Die phänologischen Beobachtungen zeigten keine zeitliche Trennung der drei Taxa. Verschiedene Bestäubungsversuche belegten zudem, dass sowohl Kreuzungen zwischen den beiden Elternarten wie auch Rückkreuzungen von Hybriden mit den Elternarten zu keimfähigen Samen führten. Die Keimungsrate der Samen von natürlich bestäubten S. ×kochii-Pflanzen lag dabei zwischen denjenigen von S. oppositifolia × biflora (höher) bzw. S. biflora × oppositifolia (tiefer).
Saxifraga oppositifolia und S. biflora zeigen also weder markante blütenbiologisch relevante morphologische Unterschiede, noch verfügen sie über Inkompatibilitätsbarrieren oder unterschiedliche Ploidiestufen (2n = 2x = 26; KÜPFER & RAIS 1983). Dieses Fehlen einer klaren prä- oder postzygotischen Trennung dürfte den heute zu beobachtenden Hybridschwarm zwischen den beiden Arten erklären."

Bei diesem belegten Chrüsimüsi ist mir nicht klar, wieso es eine Artengruppe Saxifraga biflora aggr. gibt, zu welcher S. biflora und S. ×kochii gehören – und S. oppositifolia als eigene Art abgetrennt wird.
Sinniger wäre evtuell eine einzige Art mit Unterarten, die sich kreuzen können und fertile Nachkommen hervorbringen.
Kleinarten unterscheiden sich morphologisch wenig voneinander und sind deshalb schwierig zu bestimmen – aber sie unterscheiden sich genetisch, fortpflanzungsbiologisch etc. voneinander und verhalten sich wie typische Arten. Das scheint mir hier nicht gegeben.
Wer könnte hier die Systematik der Checkliste 2017 erklären?


Die deutschen Namen sind manchmal etwas Glücksache :-)
Sobald ein Aggregat im Spiel ist, müsste dies eigentlich im deutschen Namen auch erwähnt sein.
Konkret "Artengruppe Zweiblütiger Steinbrech" für Saxifraga biflora aggr.. Und die Kleinart dann "Zweiblütiger Steinbrech" für Saxifraga biflora.
Wobei lieber was anderes als Kleinarten in diesem Fall…

Saxifraga ×kochii wird in der Florenliste von Deutschland (Version 15) übrigens als Art (nicht Hybride) und mit dem Namen "Grossblütiger Steinbrech" aufgeführt.
Und in der Exkursionsflora für Österreich wird Saxifraga ×kochii zusätzlich “Koch-Steinbrech” genannt.

Muriel hat mich auf diese Diskussion aufmerksam gemacht und um eine Einschätzung gebeten … aber eigentlich hat sie bereits alles gesagt bzw. mich sagen lassen ;-). Der zitierte Bauhinia-Artikel fasst die Arbeiten zu den beiden Steinbrech-Arten und ihren Hybriden S. x kochii zusammen, die originalen Publikationen sind unten genannt.

In meiner Untersuchung waren quantitative Variablen bei den als Hybriden bezeichneten Individuen alle intermediär, aber mit grosser Varianz und teils überlappend mit den Elternarten, was für Hybriden und Introgression durch Rückkreuzungen spricht. Weiter sind die wichtigsten Merkmale, nebst Blütenfarbe und -zahl,  das qualitative Vorhandensein von Haaren auf den Sepalen und ob diese Drüsen tragen. Details dazu in Gugerli (Plant Systematics and Evolution 1997). Die entsprechende Abbildung unten stellt die Unterschiede an je einem Beispiel dar.

Die Kreuzungsversuche bestätigten, dass hybride Samen keimfähig sind, aber ihre Merkmale wurden nicht überprüft, da die Pflanzen nicht aufgezogen wurden (Gugerli, International Journal of Plant Sciences 1997). Es spricht jedoch viel dafür, dass es sich insgesamt um einen Hybridschwarm mit den beiden Elternarten S. oppositifolia und S. biflora s.str. handelt, und S. x kochii aufgrund von Rückkreuzungen mit beiden Elternarten sehr variabel ist und morphologisch zu einer der beiden Elternarten neigen kann. Ich würde deshalb auch eher nicht von einem Aggregat sprechen, und die Einstufung als Unterart von S. biflora (S.b. ssp. macropetala) ist wohl definitiv überholt. Aber auch 2 kreuzungsfähige Unterarten erachte ich nicht als sinnvoll, da S. opp. und S. bif. morphologisch doch sehr deutlich differenziert sind und auch unterschiedliche Habitate, wenn auch teils überlappend, belegen. Durch letztere Separierung entsteht auch eine gewisse phänologische Trennung (S. biflora später, weil in später apernden Habitaten), welche nur dann fehlt, wenn beide Arten an eher feuchten Standorten +/- gemeinsam vorkommen.