Ich habe vor, Anfang kommende Woche (ca. 8. Juli 2025) ein paar Proben für die Bestimmung des Ploidiegrades einzuschicken.
Darum geht es bei der flow cytometry (Durchflusszytometrie):
https://www.openflora.ch/de/forum/flow-cytometry-durchflusszytometrie-bestimmen-des-ploidiegrades-1478.html
Infos zum Ploidiegrad eines Taxons gibts beispielsweise auf
- "Chromosome Counts Database, CCDB" ccdb.tau.ac.il/browse und
- "Chromosomenzahlen zur Flora von Deutschland" chromosomes.senckenberg.de
Auf dem Radar hab ich u.a. die als Rutenförmige Wolfsmilch (Euphorbia virgata, 2n = 20) bekannten Pflanzen im Wallis, die möglicherweise nicht immer E. virgata sind, sondern Euphorbia saratoi (2n = 60; die Feld-Unterscheidungsmerkmale beziehen sich auf die Form der Blattspreite, was ich schwierig zu beurteilen finde. Der Rothmaler Grundband 2021 schreibt bei E. virgata trocken "oft verwechselt mit E. saratoi").
Nun, dies zumindest die Arbeitshypothese.
Unten ein paar Fotos der fraglichen Wolfsmilch, aufgenommen in der Nähe von Brig; die Pflanzen sind stattlich, werden bis knapp 100 cm hoch und können auf Weiden, Ruderalflächen und an Ackerrändern grössere Bestände bilden.
Hätte jemand beispielsweise eine mögliche Myosotis dubia/discolor in Griffnähe?
Die Diskussion zu diesem "Artenpaar" hier:
https://www.openflora.ch/de/forum/neue-art-fuer-die-schweizer-flora-1402.html
Oder gibts weitere Pflanzen, von welchen du gerne den Ploidiegrad wissen möchtest?
Kostenpunkt: Ca. CHF 10 pro Probe.
Interesse? Ja :-) Dann gerne mir eine private Nachricht auf Open Flora schreiben, damit ich den Versand koordinieren kann.
Lieber Gruss, Muriel
11 Risposte
Liebe Muriel
nicht, dass ich die Sache unnötig komplizieren möchte…
In gärtnerischen Sortimenten findet man hie und da eine Euphorbia x gayeri ‘Betten’. Sie soll eine Hybride E. cyparissias x virgata (bzw. waldsteinii) sein, die seinerzeit in der Walliser Gemeinde Betten gefunden wurde.
Vermutlich wurde der hybride Ursprung nie geklärt und niemand weiss genau was es ist.. Allenfalls "deine" E. saratoi? Leider habe ich gerade kein Vergleichsmaterial. Wäre aber spannend.
Liebe Grüsse Moritz
Herzlichen Dank für deinen Input, lieber Moritz! Besser jetzt etwas kompliziert oder anders formuliert: gscheiter eine valable Hypothese mehr als eine zu wenig.
Vielleicht lässt sich das Rätsel so oder so nicht lösen… aber im Moment besteht zumindest noch begründete Hoffnung :-)
Es geht also um diese Arten:
2C-Werte (in pg) finden sich bei Zonneveld (2019) zu E. cyparissias und E. esula, in Šmarda et al. (2019 → Anhang 2) zu E. cyparissias, E. virgata und E. esula.
Mehr hab ich noch nicht gefunden.
Von Euphorbia cyparissias sind in Europa di-(2x), tetra-(4x), penta-(5x) und hexaploide (6x) Populationen bekannt; die untersuchten Populationen in der Schweiz waren tetraploid (4x), vgl. Figur 1 in:
Pungaršek, Š. & Frajman, B. 2024: Influence of polyploidy on morphology and distribution of the Cypress Spurge (Euphorbia cyparissias, Euphorbiaceae). Plant Biology, 26(6), 879–1106
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/plb.13685
Da bin ich gespannt. Danke!
Ich versuch bei Gelegenheit an eine ‘Betten‘ zu kommen. Leider gibt es die Gärtnereien von Simon und Frei nicht mehr. Sie haben die Pflanze meines Wissens entdeckt und kultiviert. Ist wegen der Ausläufer aber in Gärten schwierig zu verwenden.
Die Resultate von drei Euphorbia Proben aus Brig Biela (VS) sind da!
Und sie sind klar: Es handelt sich bei allen drei Funden, die mit dem FH-Schlüssel als Euphorbia virgata bestimmt werden, sicher nicht um Euphorbia virgata.
Der Kern-DNA-Gehalt ist dreimal zu hoch für E. virgata.
Konkret (genome size pg/2c):
Mit diesen Messungen passen die Funde zu
Euphorbia esula: 2n = 60; 3,78 pg (Zonneveld 2019); 3,58 pg (Šmarda et al. 2019)
und zu
Euphorbia saratoi: 2n = 60
.. aber nicht zu E. virgata:
Euphorbia virgata: 2n = 20; 1,18 pg (Šmarda et al. 2019)
@Moritz: Euphorbia × gayeri ‘Betten’ (Euphorbia cyparissias × virgata) ist bei diesen drei Proben ebenfalls vom Tisch; die ‘Betten’ müsste einen tieferen pg-Wert aufweisen.
Damit sind natürlich ganz genau genommen nur diese drei Pflanzen als Euphorbia virgata widerlegt. Was die anderen, hochgewachsenen Euphorbia Pflanzen darstellen, die v.a. im Wallis recht weit verbreitet sind und manchmal grössere Flächen dominieren, bleibt offen. Wobei die nächste, etwas steile Arbeitshypothese auf der Hand liegt: Euphorbia virgata in der CH ist fraglich, vermutlich handelt es sich bei vielen oder den meisten, wenn nicht grad allen als E. virgata bestimmten Pflanzen um E. saratoi oder E. esula oder sogar um was anderes aus diesem Dunstkreis (vgl. Note in der Flora Gallica unten).
Solange wir aber offensichtlich keine Klarheit darüber haben, welche Euphorbia-Arten sich in der Schweiz genau tummeln und wie sie korrekt zu benennen, geschweige denn voneinander zu unterscheiden sind, lohnt sich meines Erachtens ein pragmatischer Approach:
Die drei Taxa E. esula, E. saratoi und E. virgata in eine Artengruppe (Aggregat) packen. Dann auseinanderdividieren, was überhaupt wild in der CH wächst und welchen Taxa die Funde zuzuordnen sind. Dann die Schlüssel anpassen, gerne mit wenigen, aber feldtauglichen Merkmalen. Lieber ein ehrliches, wenn auch etwas ungenaues Aggregat mehr, als eine Fehlbestimmung. Mit Aggregaten werde ich alt und glücklich, mit falsch bestimmten Arten nur alt, mehr nicht.
Unten separat Fotos der drei beprobten Pflanzen.
Probe 1:
Probe 2.
Probe 3:
Was sagt die Literatur in den Nachbarländern zu diesen notorisch schwer unterscheidbaren Taxa?
Eine erste kleine Übersicht (Abkürzungen für die bessere Leserlichkeit jeweils ausgeschrieben, Schlüssel reduziert auf die Bestimmungsmerkmale):
Flora Gallica (Tison & de Foucault 2014; S. 703):
Bildet eine Art, E. esula, mit den beiden Unterarten subsp. esula und subsp. saratoi.
16’ Feuilles caulinaires stériles les plus grandes normalement >(3)4 cm de long, à stomates soit uniformes, soit manquants à la face supérieure → E. esula L.
a – Feuilles sans stomates à la face supérieure, larges (L/l généralement < 10) ; ombelle terminale souvent à plus de 10 rayons ; plante robuste → subsp. esula
a’ – Feuilles à stomates denses et uniformes à la face supérieure, étroites (L/l généralement > 10) ; ombelle terminale normalement à moins de 10 rayons ; plante robuste en biotopes secondaires, grêle en biotopes primaires → subsp. saratoi (Ard.) P. Fourn.
Note : Il semble impossible de séparer les plantes à apparence indigène des Préalpes du S (subsp. saratoi s.s.) des plantes naturalisées qui envahissent la moitié E de la France (? E. ×pseudovirgata), bien que les 1ers, sans doute à cause de leurs biotopes moins eutrophes, soient souvent plus grêles et moins envahissantes. Ceci laisse perplexe quant à leur origine, puisque E. ×pseudovirgata serait pour certains auteurs un hybride formé dans le bassin de Danube. Problème à revoir.
Rothmaler, Grundband (22. Auflage, 2021; S. 497):
Bildet die Artengruppe Esels-Wolfsmilch, Euphorbia esula agg. mit E. esula, E. virgata und E. saratoi:
17* Blatt glanzlos, Seitennerven sehr spitzwinklig (<30 °) vom Hauptnerv abgehend. Frucht feinwarzig oder fein runzlig. → Euphorbia esula agg.
18 Blatt oberhalb der Mitte am breitesten (verkehrt‑eilanzettlich), zum Grund hin keilförmig bis fast stielartig verschmälert, weich, im Austrieb braunrot, zumindest obere Stängelblätter oberseits fast ohne Spaltöffnungen. Hörner der Nektardrüsen oft kurz und stumpf. Hüllbecher innen mit vielen Haaren. 0,30–0,60. Esels-Wolfsmilch Euphorbia esula L.
18* Blatt in oder unterhalb der Mitte am breitesten oder parallelrandig, im Austrieb grün, Stängelblätter beidseits flächendeckend mit Spaltöffnungen (bei 20 oberseits zuweilen fehlend). Hörner der Nektardrüsen lang. Hüllbecher nur am Mündungsrand behaart → 19
19 Blatt unterhalb der Mitte am breitesten (eilanzettlich), am Grund abgerundet bis breit keilförmig (fast) sitzend, meist schräg aufgerichtet, ± steif . Hörner der Nektardrüsen oft keulenförmig verdickt. 0,60–0,80 … oft verwechselt mit 20. Ruten-Wolfsmilch E. virgata Waldst. et Kit.
19* Blatt in der Mitte am breitesten oder linealisch, am Grund (schmal keilförmig), kurz gestielt und vom Stängel, ± waagerecht abstehend → 20
20 Blattspreite (0,4–)0,5–0,8(–1,2) cm breit, meist mit ± langem parallelrandigem Abschnitt, seltener länglich‑lanzettlich, am Grund plötzlich verschmälert bis keilförmig, vorn kurz zugespitzt. Hörner der Nektardrüsen oft keulenförmig verdickt oder gelappt. 0,40–1,00. [E. pseudovirgata auct. non (Schur) Soó, E. virgata auct. non Waldst. et Kit., E. virgultosa Klok.] Schein-Ruten-Wolfsmilch – E. saratoi Ard.
20* Blattspreite gewöhnlich nur bis 0,3 cm breit, linealisch, die der Seitenäste fast fadenförmig. Hüllchenblätter gelb, zuletzt rot. 0,15–0,30. Zypressen-Wolfsmilch Euphorbia cyparissias
Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol (3. Auflage, 2008; S. 462–463):
Bildet das Aggregat Euphorbia esula agg. mit E. esula und E. virgata (Euphorbia saratoi fehlt im Schlüssel) und unterscheidet die beiden Taxa wie folgt:
31 Laubblätter in oder oberhalb der Mitte am breitesten oder Laubblätter linealisch; Frucht fein-warzig (Lupe!); Hörner der Nektardrüsen an der Spitze nicht verbreitert.
→ 32: Mittlere Stängelblätter meist 30–60 mm lang und (2)4–10(13) mm breit, – verkehrteilanzettlich bis linealisch, meist kahl (wenn mittlere Laubblätter nur 2–3 mm breit, dann unterseits manchmal kurzhaarig); Gesamtblütensand meist länger als breit; Hüllchenblätter gegen die Spitze zu (besonders unterseits) kahl (Lupe!). H: 30–60(100) cm. … ; im Osten häufig, in Südtirol stark zunehmend, sonst zerstreut bis selten. Fehlt Fürstentum Liechtenstein. Sehr variabel. Euphorbia esula (s.str.)
31 Laubblätter unterhalb der Mitte am breitesten
→ 33: Mittlere Stängelblätter meist 40–60 mm lang und (3)4–9(13) mm breit. – Laubblätter oberseits mattgrün (glanzlos), die mittleren länglich-eilanzettlich bis linealisch; Hüllchenblätter gegen die Spitze zu (besonders unterseits) meist fein spinnwebig-bewimpert (Lupe!) (nicht so bei Euphorbia esula!); Hörner der Nektardrüsen an der Spitze oft etwas verbreitert; Frucht feinwarzig. H: 30–80(100) cm. … Im Pannonischen Gebiet häufig, sonst zerstreut bis selten. Euphorbia virgata
Es fallen raus: Euphorbia cyparissias (wäre deutlich kleiner, mit schmaleren Blättern) und Euphorbia lucida (längere und breitere Stängelblätter, Frucht glatt).
Hallo Muriel
Vielen Dank fürs Teilen der Flowzytometrie-Resultate! Ich habe die Pflanzen im Wallis auch schon öfters angeschaut und würde diese morphologisch als E. saratoi ansehen (so auch schon im Tessin gesehen sowie in Ostösterreich)! Bei E. esula sind die Blätter oberhalb der Mitte am breitesten, das passt bei den Schweizer Pflanzen gar nicht, deshalb würde ich diese Art ausschliessen! E. saratoi passt ja auch morphologisch am besten, siehe Schlüssel im Rothmaler 22. Auflage!
https://forum.flora-austria.at/viewtopic.php?f=4&t=3662&p=21741&hilit=Saratoi#p21741
https://forum.flora-austria.at/viewtopic.php?f=4&t=3610&p=21363&hilit=Saratoi#p21363
Anbei noch Vergleichsfotos von E. esula vom Mittelrhein in Deutschland. Dort tritt diese als Stromtalpflanze auf.
Herzlichen Dank, @Jonas, auch für die Vergleichsfotos von E. esula!
Das unterscheidet sich deutlich von "meinen" Pflanzen – womit diese als Euphorbia saratoi durchgehen sollten.
Weitere Fotos von E. esula auf
https://flora.lefnaer.com/cgi-bin/photosearch.pl?action=SPECIES;name=Euphorbia%20esula%20s.%20str.
Ich habe Euphorbia saratoi im systematischen backbone von Open Flora ergänzt, mit den deutschen Namen "Schein-Ruten-Wolfsmilch" (aus dem Rothmaler Grundband) und "Sarato-Wolfsmilch" (dem ersten deutschen Namen in der Florenliste von Deutschland (Gefäßpflanzen), Version 15 (April 2025)).
Das bei deinen im Wallis gefundenen und auf
https://forum.flora-austria.at/viewtopic.php?f=4&t=3662&p=21741&hilit=Saratoi#p21741
besprochenen Pflanzen erwähnte Palisadenparenchym hatte ich nicht auf dem Radar... ich ergänze einen Hinweis auf eine Publikation, in welcher das Palisadenparenchym von E. virgata, E. esula und E. saratoi sowie die Geschichte rund um die Taxa dokumentiert ist:
Reichert, H. et al. 2018: Euphorbia saratoi (= E. podperae, E. pseudovirgata auct., E. virgata var. orientalis, E. virgultosa) – in Mitteleuropa und Nordamerika ein Neophyt unklarer Herkunft. Kochia 11: 1–36
researchgate.net
Bin gespannt auf weitere Funde und Wortmeldungen betreffend Euphorbia saratoi & Co. in der CH!